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Parallelen zwischen meinem Chef und mir…

Wir erwarten von unseren Vorgesetzten im Engineering, dass unsere Erwartungen erfüllt werden. Dass die Führungskraft hinter uns steht. Dass die Führungskraft immer mal für uns Zeit hat. Dass alle Zusagen eingehalten werden. Dass wir spannende Aufgaben bekommen. Dass wir gefördert werden. Dass gute (und die richtigen!!) Entscheidungen getroffen werden und zwar schnell. Dass unsere Interessen vertreten werden. Dass wir alle Informationen schnellstmöglich bekommen. Dass, wenn der Prototypentest mal schief läuft, Unterstützung bekommen. Dass wir … *hier eigene Punkte einfügen*

Erwarten wir das als Ingenieure zurecht von unseren Vorgesetzten? Ja.

Ist das einfach umzusetzen? Theorie: Ja, klar. Praxis: Puh… (Also mir gelang das nicht durchgehend.)

Perspektivwechsel.

Ich bin Mitarbeiterin in einem Entwicklungsteam aus sagen wir… 12 Kolleginnen und Kollegen. Unsere Chefin ist eigentlich ein cooler Typ*. Die Einstellung passt und wir kommen gut miteinander aus. Eigentlich. Denn es könnte schon noch besser sein. Es dauert, bis ich mal eine Antwort zu der Fragestellung mit der Schraubenberechnung bekomme. Ob mein Urlaubsantrag (Anmerkung: auch so ein Thema, dazu ein andermal mehr..) durchgeht? Und der Termin zur Durchsprache des neuen Projektes ist auch schon wieder verschoben worden…

Jetzt habe ich zwei Möglichkeiten:

  1. jammern und hinnehmen
  2. etwas tun
 

Ich mache es mir erstmal einfach und beschwere mich beim Kollegen (also Option 1). Wir meckern ein bisschen zusammen, stellen dann fest, dass es auch wesentlich schlimmer sein könnte und es uns schon echt gut geht. Und letztendlich machen wir mit der Arbeit weiter und hoffen das Beste.

Hm. Es schleicht sich ganz leise das Gefühl ein, dass das „Rumgemotze“ ja nicht alles sein kann. Immerhin habe ich hohe Ansprüche an meine Abteilungsleiterin (siehe oben), und sie auch an mich. Und ja, klar mach ich einen guten Job, die Produktvorstellung letzten Monat war halt echt gut, der Kunde zufrieden und das Ding läuft! Und vielleicht ginge es ja noch besser und in der Zusammenarbeit noch einfacher?

Ich versuche, mich in die Situation meiner Vorgesetzten hineinzudenken. Was könnte sie bewegen. Welche Themen hat sie auf dem Tisch. Warum verhält sie sich so, wie sie es tut. Natürlich sind das alles erstmal nur Vermutungen. 

Welche Herausforderungen und Belastungen meine Führungskraft so haben dürfte:

  • Fachliche Entscheidungen treffen
  • „Druck von oben“: Auch mein Chef hat (in den meisten Fällen) noch einen Vorgesetzten. Auch da gibt es Ziele, Verantwortlichkeiten, Erwartungen,…
  • Entscheidungsspielräume/Kompetenzen sind eingeschränkt: Auch mein Chef muss sich je nach Fragestellung erst abstimmen
  • Viele Termine, seine Meinung ist gefragt.
  • Erwartungshaltung der Mitarbeiter
  • Teamorganisation: Wer arbeitet mit wem ab wann für wie lange an welchem Projekt? Hat mein Team ausreichend Ressourcen?
  • Arbeitsrecht und Organisatorisches: Urlaub, Elternzeiten, Vertretungen, Krankheit, Weiterbildungen, Seminare, Tagungsbesuche, Dienstreisen, …
  • und wahrscheinlich noch viel mehr, was mir jetzt garnicht einfällt
 

Auf den Punkt gebracht: Meine Vorgesetzte ist ein Mitarbeiter in unserem Unternehmen. Genau wie ich. Meine Vorgesetzte ist auch nur ein Mensch, mit Macken und Fehlern. Genau wie ich. 

Wenn ich möchte, dass unsere Zusammenarbeit gut ist, dann sollte ich auch meinen Beitrag dazu leisten.

Was könnte ich denn tun? Ich schnapp mir nochmal den Kollegen von der Jammerrunde und wir überlegen zusammen. Folgendes fällt uns ein:

Wenn wir merken, da läuft etwas nicht gut verläuft, dann könnte ich das noch öfter ansprechen. Meine Vorgesetzte bekommt nicht immer alles mit und hey, fachlich gesehen, bin ich (pssst..) doch eh besser aufgestellt. Woher soll sie schon wissen, was grad auf dem Tisch liegt, wenn ich nichts davon erzähle? Mein Kollege (bekannt für seine nüchternen Zusammenfassungen sagt: “… also mehr Mitdenken”. Ja.

Was noch?  Ich kann nicht erwarten, dass mir detailliert alle Schritte vorgegeben werden (und ich will das doch letztendlich auch nicht). Das Produkt, das Ergebnis der Aufgabe ist klar. Warum das wichtig ist, weiß ich auch. Und das Ziel ist für mich nachvollziehbar und schlüssig. Dann kann ich mir die einzelnen Meilensteine selbst herleiten, was muss wann gemacht werden, wer braucht wann welchen Input,…? Bei Fragen kann ich immer Rücksprache halten. Also sowas wie “Zwischenziele selbst ableiten und aktiv die eigenen Projekte planen”. Joa, könnte auch unter Mitdenken laufen.

Was noch? Ich darf eine eigene Meinung haben. Ich bin sogar verpflichtet, mir eine Meinung zu bilden. Im angemessenen Rahmen halte ich meine Meinung nicht zurück, was gesagt werden muss, muss raus. Also nix mehr mit “Ja- und Amen-Sagen”? Genau.

Was noch? Wir könnten unsere Aufgaben bewusster und vollumfänglicher annehmen. Meine Chefin kann (und soll) ja schließlich Aufgaben an mich delegieren. Diese Aufgaben nehme ich aktiv an und damit auch die verbundenen Kompetenzen und die Verantwortung zu handeln! Ist mir nicht klar, wie weitreichend meine eigenverantwortlichen Entscheidungen gehen dürfen, dann kläre ich das ab. Und ich kläre, woran meine Führungskraft und ich erkennen, ob die Aufgabe „gut“ läuft und wie oft wir uns darüber austauschen. Also “Aufgaben echt annehmen”? Ja. 

Was noch? Ich kann doch klar und präzise formulieren, was ich zur Erledigung meiner Aufgaben wirklich benötige. Mir fehlt Hardware? Wenn ich diese nicht selbst besorgen kann, dann informiere ich halt meinen Chef, erkläre die Bedeutung und veranlasse die Beschaffung. Selbiges bei fehlenden Fähigkeiten und Wissen. Vielleicht brauche ich noch einen Experten im Team? Vielleicht hilft noch ein Seminarbesuch? Also klar sagen “was brauche ich”? Unbedingt.

Was noch? Fachliche Probleme sind automatisch die Probleme meiner Chefin. Ich selbst bin die Expertin, ich arbeite an dem Thema, ich habe den tiefsten Einblick. Ich berichte über Probleme (besonders die kritischen sofort und ohne Verzögerung) und bereite Lösung oder zumindest Lösungsansätze vor. Diese bespreche ich mit meinem Vorgesetzten und zusammen suchen wir nach dem besten Vorgehen. Also nichts mehr mit “Melden macht frei”? Ja.

Wow.

Wenn man über aktive Mitarbeiter über die fachlichen Aufgaben hinaus spricht,  taucht auch schnell der Begriff “Cheffing” auf. Damit wird meist das “Führen von unten” bezeichnet, also aktive Beeinflussung der Führungskraft seitens der Mitarbeiter. Der Begriff hat ein “Geschmäckle”, wie die Schwaben unter uns sagen würden. Scheinbar geht es oft um persönliche Vorteilsnahme, um das Durchsetzen eigener Interessen, um Manipulation und Einflussnahme.

Darum geht’s hier nicht. 

Die Chance liegt darin, schlagkräftige, innovative, zukunftssichere und reflektierte Teams (dazu gehört auch die Führungskraft) zu etablieren. Und das auf allen Hierarchiebenen (uuuh Hierarchie, böses Wort), operative Ebene – Abteilungsleitung – mittleres Management – oberes Management – Unternehmensleitung. Niemand hat jederzeit eine Antwort auf alles. Vertrauen und Freiraum für Mitarbeiter sowie eine offene Kommunikationskultur (was gesagt werden muss, muss gesagt werden dürfen) erhalten die Motivation und bringen dauerhaft bessere Ergebnisse! 

 

Für Unternehmen heißt das auch, sich nicht ausschließlich auf Management und Führungskräfte zu konzentrieren zu dürfen, wenn es um tiefgreifende Weiterbildung geht. Fördert die persönliche Entwicklung eurer Mitarbeiter! Auch und ganz besonders auf operativer Ebene. 

 

*Ja, es gibt auch „schlechte“ Chef-Mitarbeiter-Beziehungen, narzisstische Führungskräfte und Arschlöcher (auf beiden Seiten). Diese lasse ich in diesem Beitrag unbeachtet. Nur soviel: Da wird das beschriebene Vorgehen nur mäßig funktionieren.

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